Festivalhomepage (Infos, Videos, Rückblick, Pressespiegel): raster-beton.de
Das Festival RASTER : BETON betrachÂtet Architektur und das Leben in Großwohnsiedlungen aus der Perspektive zeitÂgeÂnösÂsiÂscher Kunst.
»Jeder Platz braucht Zeit, um ein Ort zu werÂden« Dieser Satz von Oswald Mathias Ungers ist zugleich Entschuldigung und Zustandsbeschreibung von Großwohnsiedlungen weltÂweit. Entstanden sind sie aus dem Geist der Moderne unter diverÂgieÂrenÂden kulÂtuÂrelÂlen, poliÂtiÂschen und räumÂliÂchen Bedingungen, jedoch nach ähnÂliÂchen konÂstrukÂtiÂven Methoden und stadtÂplaÂneÂriÂschen Leitbildern. 2016 jährt sich die Grundsteinlegung Grünaus zum 40. Mal – ein ideaÂler Zeitpunkt, sich der „Platte“ als ästheÂtiÂsches und konÂstrukÂtiÂves Element, als Wohnraum und Symbol und ihren soziaÂlen und poliÂtiÂschen Zuschreibungen und Zukunftspotentialen in einer wachÂsenÂden Stadt wie Leipzig zu widÂmen. RASTER : BETON richÂtet sich an Grünau-Neulinge und langÂjähÂriÂge Bewohner_innen, Kunstschaffende und Architekturexpert_innen. Dabei funÂgiert die Platte nicht nur als Kulisse, sonÂdern dient zugleich als Anschauungsobjekt und Diskussionsgrundlage in Zeiten von Zuwanderung, Mietpreisbremse und fortÂschreiÂtenÂder Wohnraumknappheit.
Grünau ist überall
Leipzig-Grünau ist das zweitÂgrößÂte Plattenbaugebiet in der eheÂmaÂliÂgen DDR und heuÂte die größÂte Plattenbausiedlung Sachsens. Vierzig Jahre sind nunÂmehr seit der Grundsteinlegung von Grünau verÂganÂgen. Das sind vier Jahrzehnte, die sowohl das Antlitz der geplanÂten Siedlung als auch deren Bewohner_innen verÂänÂdert haben.
Die Architektur stellt uns heuÂte releÂvanÂte Fragen: Wie entÂsteht aus einem Platz, der scheinÂbar ohne Tradition ist, ein idenÂtiÂtätsÂstifÂtenÂder Ort? Wie eigÂnen sich die Bewohner_innen ein solÂches Viertel an? Wo finÂdet sich Individualität im Massenwohnungsbau? Was ist in kapiÂtaÂlisÂtiÂscher Zeit noch übrig von der Utopie der Erbauerzeit? Hat die Shoppingmall den soziaÂlisÂtiÂschen Kulturbau ersetzt? Das Festival möchÂte dieÂse Fragestellungen bünÂdeln. Statt exoÂtisch anmuÂtenÂder Bespielung eines Leerraums, statt patheÂtiÂscher Überhöhung der Vergangenheit, geht es uns um das Anstoßen einer Debatte mit den Mitteln der Kunst. Das Festival lädt Kultur‑, Geschichts- und Architekturinteressierte, Tourist_innen und Architekt_innen dazu ein, wähÂrend dieÂses mehrÂwöÂchiÂgen, mulÂtiÂloÂkaÂlen Festivals über das gloÂbaÂle Phänomen nachÂzuÂdenÂken und neue Perspektiven auf ein lokaÂles zu gewinÂnen. Sich dem Beispiel Grünau zu widÂmen hat das Potential, die Gegenwart des Wohnens vor Augen zu fühÂren und ihre Zukunft zu imaÂgiÂnieÂren. Ein Thema, was keiÂnesÂfalls lokal beschränkt ist, sonÂdern gloÂbaÂle Bedeutung hat. Ob in Berlin-Marzahn, München-Neuperlach, Toulouse-La Mirail oder Moskau-Saburowo – Grünau ist überall.
Die vier Elemente des Festivals
Eine Ausstellung zeitÂgeÂnösÂsiÂscher Kunst im D21 Kunstraum Leipzig zeigt künstÂleÂriÂsche Positionen aus Deutschland und Frankreich zu Großwohnsiedlungen und Plattenbauten. Künstler_innen vor Ort entÂwiÂckeln wähÂrend zweiÂmoÂnaÂtiÂger Aufenthalte orts- und konÂtextÂspeÂziÂfiÂsche, parÂtiÂziÂpaÂtiÂve Arbeiten unter Einbindung der Bewohner_innen. Ein interÂdisÂziÂpliÂnäÂres Symposium führt Positionen von Referent_innen, Bewohner_innen, lokaÂlen Initiativen und Künstler_innen zusamÂmen. Das Rahmenprogramm, bestehend unter andeÂrem aus einer Filmreihe, Stadtspaziergängen und kunstÂverÂmitÂtelnÂden Angeboten, sowie begleiÂtenÂde Satelliten-Programme, runÂdet das Festival ab.
Ausstellung im D21
Die Inszenierung franÂzöÂsiÂscher Grands Ensembles und ostÂdeutÂscher Großwohnsiedlungen in Fotografie, Video und Installation ist Thema der Ausstellung. Sie ist Teil des Festivals RASTER : BETON im D21 Kunstraum und Leipzig-Grünau.
Das urbaÂne Narrativ einer Architektur für die Massen und die indiÂviÂduÂelÂle, perÂsönÂliÂche Geschichte ihrer Bewohner_innen stellt Laurent Kronental einÂanÂder gegenÂüber – die Architektur wird zum monuÂmenÂtaÂlen Panorama in mysÂtiÂscher Atmosphäre. Halle-Silberhöhe ist Schauplatz einer Erkundungstour und reaÂler Gegenstand der Aneignung durch die Praxis des Wohnens bei Ginan Seidl und Ray Peter Maletzki. Margret Hoppe absÂtraÂhiert das Äußere von Le Corbusiers Wohnmaschinen in Berlin und Marseille und fokusÂsiert den Eigenwert ihrer Farbigkeit und Materialität und auch Andrea Pichls Installation zu Leipzig-Grünau zeigt mateÂriÂelÂle Qualitäten und Risse im archiÂtekÂtoÂniÂschen Gefüge auf. Anne-Valérie Gasc hinÂgeÂgen dokuÂmenÂtiert die Zerstörung franÂzöÂsiÂscher Wohntürme und inszeÂniert die Gewalt gegenÂüber Architektur in einer beiÂnaÂhe kindÂliÂchen Euphorie. Hinter allem schwebt die Fragen nach der sich in jener Architektur maniÂfesÂtieÂrenÂden Utopie und ihrer Realitätstauglichkeit im Heute; den Ursprüngen einer interÂnaÂtioÂnaÂlen Moderne und der heuÂtiÂgen Perspektive auf sie.