Das Symposium ist Teil der gleichnamigen Ausstellung.
10.00–11.30h – Olia Lialina: Frames or no frames?
Vortrag und Gespräch in englischer Sprache
Olia Lialinas Beitrag setzt sich mit den Auswahlmöglichkeiten, die die Webmaster vor der Existenz sozialier Netzwerke auseinander und stellt diese den heutigen Möglichkeiten gegenüber. Sie argumentiert aus der Perspektive einer Designerin, einer passionierten Forscherin über Digitale Folklore und der Bewahrerin eines ein Terabyte großen Archives von Websites aus dem Zeitalter der Kilobytes.
Geocities, der größte, kostenlose Webhoster des letzten Jahrhunderts – das »Myspace der 1990er« –erste Heimat für die frühen Nutzer des World Wide Webs, wurde nach einem langsamen Niedergang 2009 geschlossen. Für den Zeitraum eines halben Jahres erlaubte Yahoo, späte Besitzerin von Geocities, den Nutzer_innen, ihre Daten herunterzuladen. Die Gruppe The Archive Team stellte in diesem Rahmen eine Torrent von 1 Terrabyte Daten zusammen, und das von Olia Lialina und Dragan Espenschied initiierte Geocities-Forschungsinstitut lud die Dateien herunter und stellte die Websites wieder her.
Olia Lialina hat zahlreiche einflussreiche Netzkunstwerke produziert: My Boyfriend Came Back from the War (1996), Agatha Appears (1997), First Real Net Art Gallery (1998), and Last Real Net Art Museum (2000), Summer (2013). Sie ist Professorin an der Merz Akademie, Stuttgart. Lialina publiziert über Digitalkulturen, Netzkunst und Digitale Folklore.
11.30–13.00h – Zsolt Miklósvölgyi: Über Wolken und Clouds. Techno-Metaphorische Spekulationen.
Der Beitrag setzt sich mit den metaphorischen Potentialen von Dampf- und Dunstwolken als beschleunigende Metaphern der kapitalistischer Gesellschaft auseinander. Sie ziehen sich von den frühen Zeiten des Industriezeitalter, gekennzeichnet durch die Dampfmaschine, bis zur heutigen Digitalen Kapitalismus und seiner alles durchdringenden, globalen Infrastruktur des Cloud-Computing.
Miklósvölgyi diskutiert die thermodynamische Metaphern grundlegender Texte, so aus dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels, aus dem Futuristische Manifest von Marientti und den Schriften von Emile Zola, Jacques Derrida und anderen. Die Diskussion um Dampf und Dunst als wichtige »techno-linguistische Automatismen« (Franco ’Bifo’ Berardi) soll einen Beitrag zur Geschichte des Kapitalismus leisten.
Zsolt Miklósvölgyi studierte Philosophie an der Peter Pazmany Catholic University, Budapest. Derzeit arbeitet er an einer Dissertation zu Fragen der Räumlichkeit, Identität und Topographie literarischer Texte. Seit 2014 ist er Co-Herausgeber der Publikationsreihe Technologie und das Unheimliche und der Buchreihe Melting Books.
14.00–15.30h – Hans-Christian Dany: Buzz Rickson‘s MA‑1
Buzz Rickson‘s MA‑1 ist eine Bomberjacke, die zunächst als Fiktion in dem Roman Pattern Recognition des Science Fiction Autoren William Gibson existierte. Sie wurde von einer gegen Marken allergischen Coolhunterin, einer Expertin für Zukunftstrends, getragen. Es handelt sich um eine japanische Kopie jener Fliegerjacke, mit der die US-Army Ende der 1950er Jahre Soldaten ausstattete, wobei das Original Salbeigrün war, während die Romanfigur ein schwarzes Modell trägt, das es nie gab. Nach dem Erscheinen des Romans, wird das auf Kopien von US-Uniformen spezialisierte Unternehmen Buzz Rickson‘s solange von Fans bedrängt, bis es die Jacke tatsächlich auflegt.
Eine der Kopien kauft ein Programmierer, der in jener Bürogemeinschaft arbeitete, in welcher das AutorInnen-Kollektiv K‑Hole den Trend »Normcore« prognostizierte, der ein weltweites Comeback der Bomberjacke zur Folge hatte. Dies gibt dem Künstler und Autoren Hans Christian Dany den Anlass, sich mit der Geschichte der MA‑1, ihrer Bedeutung für verschiedene Subkulturen, aber auch als Verhaltensstrategie innerhalb von kybernetischen Gesellschaften zu beschäftigen.
Als Künstler, Autor und Publizist war Hans-Christian Dany unter anderem Mitherausgeber von Zeitschriften wie Die Beute, Spuren, Springerin. Publikationen: Schneller als die Sonne (2015), Morgen werde ich Idiot (2013), Speed – Eine Gesellschaft auf Droge (2009). Ausstellungen: Halle für Kunst Lüneburg (2015), Deichtorhallen Hamburg (2011), Jet Berlin (2009), Hamburger Kunsthalle (2002).