10. Festival für Fotografie Leipzig:
31. Mai bis 16. Juni 2024

„Flucht in die Öffentlichkeit“ 

Die 10. Ausgabe des f/stop wird Handlungen an der Schwelle von indi­vi­du­el­ler Fürsorge und poli­ti­scher Wirksamkeit eine Plattform geben und mit­tels der Medien Fotografie und Film das Verhältnis von Sichtbarkeit und Widerständigkeit aus his­to­ri­scher und zeit­ge­nös­si­scher Perspektive befra­gen. Das Festival zeigt dar­in mög­li­che Wege, wie akti­vis­ti­sche Praxis ins Bild gesetzt wer­den kann, ohne sie in ihrer Handlungsfähigkeit zu beein­träch­ti­gen. Es beleuch­tet die poli­ti­sche Dimension der Bilderzeugung vor dem Hintergrund aktu­el­ler gesell­schaft­li­cher Debatten und glo­ba­ler Krisen.

Der Titel „Flucht in die Öffentlichkeit“ beschreibt die bewuss­te Bewegung nach Außen als eine mög­li­che Strategie künst­le­ri­scher, poli­ti­scher und akti­vis­ti­scher Arbeit. Häufig in Zusammenhang mit Whistle Blowern ver­wen­det, die für ihre belas­ten­den Informationen die größt­mög­li­che Plattform suchen, beschreibt der Begriff, wie die Öffentlichkeit als Absicherung in der Auseinandersetzung mit Institutionen oder Konzernen ein­ge­setzt wird. Sichtbarkeit wird hier­bei als Kontrollmechanismus genutzt, bei dem das öffent­li­che Meinungsbild zur Unterstützung kri­ti­schen Handelns her­an­ge­zo­gen wird.

In der DDR wie­der­um bedeu­te­te die „Flucht in die Öffentlichkeit“ Unbeirrbarkeit und Zusammenhalt nach Außen zu demons­trie­ren, als Gegensatz zu den unter­schwel­li­gen und zer­set­zen­den Vorgehensweisen des Staatsapparates. Beispielsweise pro­vo­zier­te die sicht­ba­re Ankündigung von Veranstaltungen zumeist eine öffent­li­che Reaktion der Exekutivorgane, soll­ten sie ver­su­chen, die­se zu unterbinden.

Vor dem Hintergrund aktu­el­ler akti­vis­ti­scher Kämpfe – sei es die Frauenrechtsbewegung im Iran oder der Kampf gegen die Erderhitzung – wird deut­lich, dass die Flucht in die Öffentlichkeit noch immer eine effek­ti­ve Strategie ist, um die Dringlichkeit indi­vi­du­el­ler Sorgen als ein kol­lek­ti­ves Begehren zu unter­strei­chen und damit ein schein­bar über­mäch­ti­ges Gegenüber zur Reaktion zu zwin­gen. Die viru­len­te Debatte zur Fürsorge als alter­na­ti­ve Form kol­lek­ti­ver Solidarität wird auf die Bereiche von Bilderzeugung, Öffentlichkeit(en) und Aktivismus über­tra­gen, um so einen Blick auf die Potentiale und Wirkungsbereiche von Fürsorgepraktiken zu wer­fen. Ein beson­de­res Augenmerk wird auf archi­va­ri­sche Zugänge gelegt und deren für­sorg­li­che Verantwortung gegen­über der Vergangenheit betrachtet.

Das Programm aus Ausstellungen, Residenzen, Workshops, einem Symposium und Katalog wird Künstler:innen mit Arbeitsschwerpunkt in Leipzig und der erwei­ter­ten Region in einen Dialog mit inter­na­tio­na­len Künstler:innen brin­gen und den Rahmen des Festivals nut­zen, um Bezüge zwi­schen his­to­ri­schen künst­le­ri­schen Positionen seit den 1970ern und aktu­el­len foto­gra­fi­schen Praktiken herauszuarbeiten.

„Flucht in die Öffentlichkeit“ wird auch auf räum­li­cher Ebene wäh­rend des Festivals statt­fin­den und dabei den Versuch unter­neh­men, die Stadt, ihre frag­men­tier­ten Öffentlichkeiten sowie ihre Institutionen mit­tels foto­gra­fi­scher und fil­mi­scher Praxis mit aktu­el­len und drän­gen­den Fragen unse­rer Gesellschaft her­aus­zu­for­dern. Dabei ist die zen­tra­le Frage des Festivals, wie radi­ka­le Fürsorge als eine poli­ti­sche Haltung in die Öffentlichkeit getra­gen wer­den kann und Modelle ent­wirft, die unser Zusammenleben neu denken.