Sa, 24.7.21

Auslaufende Umwelten: Unsichtbare Stimmen (Exkursion)

Screening

Künstler:innen  Katharina Wittmann & Félix Blume

Zeit  15:00

Kuratiert durch  Nanna Heidenreich & Marcus Held

Die Exkursion ist Teil des Projekts Auslaufende Umwelten

Wir möch­ten dazu ein­la­den, mit uns her­aus­zu­lau­fen, aus­zu­lau­fen, über­zu­lau­fen, abzu­schwei­fen, um gemein­sam die Fixierung auf den Zeigefinger zu ver­ler­nen oder die Zeigefinger im Umgang mit „der Natur da drau­ßen“ zu ent­hier­ar­chi­sie­ren und umzu­ver­tei­len, die Lernziele abzu­schal­ten. Die Idee der Exkursion als Möglichkeitsraum für das Erfahren und Begreifen auf mul­ti­plen Ebenen wol­len wir als Ausgangspunkt neh­men, um zusam­men Fragen an unse­re und in unse­rer Umwelt zu stel­len. Wir haben in zwei ver­schie­de­nen Feldern Personen, Filme, Thesen und Herangehensweisen zu neu­en Zusammenhängen ver­knüpft, in denen wir das Potential sehen, mehr über Mensch-Natur‑, Natur-Kultur‑, Nichtmensch-Mensch-Verhältnisse zu erfah­ren und zu reflektieren.

Dabei wol­len wir auch die Form unse­rer Bewegungen, Aneignungen, Blick- und Begriffsregime mit­den­ken und ver­han­deln. Wir tei­len unse­ren Weg mit Künstler:innen, Theoretiker:innen, Umwelthistoriker:innen und Naturkundler:innen, die wir ein­la­den die­se Exkursionen mit­zu­ge­stal­ten und Impulse in den Feldern zu set­zen. Dabei füh­ren uns die Wege von der phy­si­schen Welt in die fil­mi­sche und andersherum.

Unsichtbare Stimmen

Unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten sind die Grundlage dafür, wie sich Welt für uns dar­stellt und kon­sti­tu­iert. Um uns dafür zu sen­si­bi­li­sie­ren, wol­len wir uns dem Ab- und Ausgeblendeten zuwen­den. Fledermäuse und Wasserinsekten schei­nen uns fern, laut­los und unsicht­bar, genau des­halb sol­len sie unse­re Begleiter:innen auf die­ser Exkursion sein. Sie kön­nen uns die ursprüng­li­che Bedeutung des Begriffs Umwelt, wie ihn Jakob von Uexküll Anfang des 20. Jahrhunderts ent­wi­ckelt hat, erleb­bar machen. Denn die Umwelten der Fledermäuse und Insekten sind sehr ver­schie­den von den mensch­li­chen, obwohl wir gemein­sa­me Umgebungen tei­len. Wir besu­chen die Fledermäuse auf dem ehe­ma­li­gen Güterbahnhof Plagwitz und die Unterwasserumwelten des Karl-Heine-Kanals. Um sie wahr­zu­neh­men, benö­ti­gen wir Prothesen, „Hacks“, die unse­re Wahrnehmung erwei­tern kön­nen. Ultraschalldetektoren und Hydrophone machen für uns Unhörbares hörbar.

Curupira (2018), 35 min

Im Herzen des Amazonasgebietes laden uns die Dorfbewohner von Tauary ein, mit ihnen die Geräusche ihres Waldes zu belau­schen, sei­ne Tierstimmen, sei­ne Vogelrufe. Es las­sen sich jedoch auch ande­re, eigen­ar­ti­ge Laute aus­ma­chen: etwas treibt zwi­schen den Bäumen sein Wesen. Manch einer hat es gehört, kaum einer gese­hen; die sei­nen Weg gekreuzt haben, sind nie zurück­ge­kehrt. Es bezau­bert, ver­zau­bert, ver­wirrt den Geist, es führt die Menschen in die Irre oder nimmt sie mit sich fort. Jeder erzählt von ihm auf sei­ne Weise und ver­sucht, sei­ne Lockrufe zu ent­schlüs­seln. Curupira. Der im Walde haust führt uns auf die Suche nach die­sem Wesen: eine Reflexion über den Mythos und sei­nen Platz in unse­rer Gegenwart. Ein Hör-Thriller in der Tiefe des Urwalds.

Echo (2020), 12 min, expe­ri­men­tel­ler Dokumentarfilm

Bei einer Entfernung von einem Meter braucht die Fledermausart Große Hufeisennase sechs Tausendstel Sekunden, bis ihr Ruf – durch die Nase aus­ge­sen­det – vom Gegenstand als Echo an ihre Ohren zurück­kommt. Das Prinzip des Bildhörens ermög­licht ihr, den Schall in ihrem Gehirn zu Information über ihre Umgebung zu ver­ar­bei­ten. Es ent­steht ein eige­nes Bild, eine eige­ne Kartografie des Ortes.

Echo han­delt von der Geschichte des ver­las­se­nen Hauses mei­ner Familie in Hohenburg (Oberpfalz/Bayern). Ungestört hat sich dort die ein­zi­ge Kolonie der Großen Hufeisennase in Deutschland ange­sie­delt. Echo beleuch­tet den Umstand, dass die sel­te­ne Fledermausart genau an die­sem Ort über­le­ben konn­te, da angren­zend an das Familiengehöft ein Truppenübungsplatz auf­ge­baut wur­de. Truppenübungsplätze ent­pup­pen sich als erstaun­li­che Biotope für vie­le, vor allem auch sel­te­ne oder alte Pflanzen- und Tierarten. So besitzt auch der Truppenübungsplatz Hohenfels eine Umweltabteilung, die die Kriegsübungen – den Häuserkampf, der dort heu­te von der US-Armee aus­ge­übt wird – in Einklang mit der Natur brin­gen möch­te. Meine Familie wie­der­um muss­te 1939 kriegs­be­dingt den Ort und das Haus ver­las­sen. Sie ver­lo­ren ihr Land auf­grund der Übernahme der Flächen durch die Deutsche Wehrmacht, mein Großvater muss­te kur­ze Zeit spä­ter als Jugendlicher an die Front nach Russland. (Katharina Wittmann)

Treffpunkt: Karl-Heine-Straße, auf der König-Albert-Brücke
Anmeldung unter office@d21-leipzig.de

15.00 – 16.30 Uhr Karl-Heine-Kanal (Hörversuche in Unterwasserumwelten)
Pause/Weg zum Kino
17.00 – 19.00 Uhr LURU Kino
Screening: Félix Blume: Curupira (35 min)
Screening + Gespräch: Katharina Wittmann: Echo (12 min)
Pause
21.00 Uhr – Open End: Impuls: IG Fledermausschutz Leipzig, Brache Plagwitzer Bahnhof
(Hören in den Umwelten der Fledermäuse)

Gefördert durch

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