Die Exkursion ist Teil des Projekts Auslaufende Umwelten
Wir möchten dazu einladen, mit uns herauszulaufen, auszulaufen, überzulaufen, abzuschweifen, um gemeinsam die Fixierung auf den Zeigefinger zu verlernen oder die Zeigefinger im Umgang mit „der Natur da draußen“ zu enthierarchisieren und umzuverteilen, die Lernziele abzuschalten. Die Idee der Exkursion als Möglichkeitsraum für das Erfahren und Begreifen auf multiplen Ebenen wollen wir als Ausgangspunkt nehmen, um zusammen Fragen an unsere und in unserer Umwelt zu stellen. Wir haben in zwei verschiedenen Feldern Personen, Filme, Thesen und Herangehensweisen zu neuen Zusammenhängen verknüpft, in denen wir das Potential sehen, mehr über Mensch-Natur‑, Natur-Kultur‑, Nichtmensch-Mensch-Verhältnisse zu erfahren und zu reflektieren.
Dabei wollen wir auch die Form unserer Bewegungen, Aneignungen, Blick- und Begriffsregime mitdenken und verhandeln. Wir teilen unseren Weg mit Künstler:innen, Theoretiker:innen, Umwelthistoriker:innen und Naturkundler:innen, die wir einladen diese Exkursionen mitzugestalten und Impulse in den Feldern zu setzen. Dabei führen uns die Wege von der physischen Welt in die filmische und andersherum.
Unsichtbare Stimmen
Unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten sind die Grundlage dafür, wie sich Welt für uns darstellt und konstituiert. Um uns dafür zu sensibilisieren, wollen wir uns dem Ab- und Ausgeblendeten zuwenden. Fledermäuse und Wasserinsekten scheinen uns fern, lautlos und unsichtbar, genau deshalb sollen sie unsere Begleiter:innen auf dieser Exkursion sein. Sie können uns die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Umwelt, wie ihn Jakob von Uexküll Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt hat, erlebbar machen. Denn die Umwelten der Fledermäuse und Insekten sind sehr verschieden von den menschlichen, obwohl wir gemeinsame Umgebungen teilen. Wir besuchen die Fledermäuse auf dem ehemaligen Güterbahnhof Plagwitz und die Unterwasserumwelten des Karl-Heine-Kanals. Um sie wahrzunehmen, benötigen wir Prothesen, „Hacks“, die unsere Wahrnehmung erweitern können. Ultraschalldetektoren und Hydrophone machen für uns Unhörbares hörbar.
Curupira (2018), 35 min
Im Herzen des Amazonasgebietes laden uns die Dorfbewohner von Tauary ein, mit ihnen die Geräusche ihres Waldes zu belauschen, seine Tierstimmen, seine Vogelrufe. Es lassen sich jedoch auch andere, eigenartige Laute ausmachen: etwas treibt zwischen den Bäumen sein Wesen. Manch einer hat es gehört, kaum einer gesehen; die seinen Weg gekreuzt haben, sind nie zurückgekehrt. Es bezaubert, verzaubert, verwirrt den Geist, es führt die Menschen in die Irre oder nimmt sie mit sich fort. Jeder erzählt von ihm auf seine Weise und versucht, seine Lockrufe zu entschlüsseln. Curupira. Der im Walde haust führt uns auf die Suche nach diesem Wesen: eine Reflexion über den Mythos und seinen Platz in unserer Gegenwart. Ein Hör-Thriller in der Tiefe des Urwalds.
Echo (2020), 12 min, experimenteller Dokumentarfilm
Bei einer Entfernung von einem Meter braucht die Fledermausart Große Hufeisennase sechs Tausendstel Sekunden, bis ihr Ruf – durch die Nase ausgesendet – vom Gegenstand als Echo an ihre Ohren zurückkommt. Das Prinzip des Bildhörens ermöglicht ihr, den Schall in ihrem Gehirn zu Information über ihre Umgebung zu verarbeiten. Es entsteht ein eigenes Bild, eine eigene Kartografie des Ortes.
Echo handelt von der Geschichte des verlassenen Hauses meiner Familie in Hohenburg (Oberpfalz/Bayern). Ungestört hat sich dort die einzige Kolonie der Großen Hufeisennase in Deutschland angesiedelt. Echo beleuchtet den Umstand, dass die seltene Fledermausart genau an diesem Ort überleben konnte, da angrenzend an das Familiengehöft ein Truppenübungsplatz aufgebaut wurde. Truppenübungsplätze entpuppen sich als erstaunliche Biotope für viele, vor allem auch seltene oder alte Pflanzen- und Tierarten. So besitzt auch der Truppenübungsplatz Hohenfels eine Umweltabteilung, die die Kriegsübungen – den Häuserkampf, der dort heute von der US-Armee ausgeübt wird – in Einklang mit der Natur bringen möchte. Meine Familie wiederum musste 1939 kriegsbedingt den Ort und das Haus verlassen. Sie verloren ihr Land aufgrund der Übernahme der Flächen durch die Deutsche Wehrmacht, mein Großvater musste kurze Zeit später als Jugendlicher an die Front nach Russland. (Katharina Wittmann)
Treffpunkt: Karl-Heine-Straße, auf der König-Albert-Brücke
Anmeldung unter office@d21-leipzig.de
15.00 – 16.30 Uhr Karl-Heine-Kanal (Hörversuche in Unterwasserumwelten)
Pause/Weg zum Kino
17.00 – 19.00 Uhr LURU Kino
Screening: Félix Blume: Curupira (35 min)
Screening + Gespräch: Katharina Wittmann: Echo (12 min)
Pause
21.00 Uhr – Open End: Impuls: IG Fledermausschutz Leipzig, Brache Plagwitzer Bahnhof
(Hören in den Umwelten der Fledermäuse)