Resilienz: Ein Begriff, der mittlerweile im Alltagsvokabular angekommen ist und als Schlüsselkompetenz gilt, um Erschöpfung, Vulnerabilität, Fragilität und Prekarität aus eigener Kraft entgegenzutreten. Aber was, wenn das nicht gelingt – der Ausnahme- zum Dauerzustand wird?
Darüber treten die Künstlerin Anike Joyce Sadiq und die Choreografin und Performerin Laurie Young im D21 Kunstraum in Austausch. Im Zentrum der Ausstellung stehen die „embracements“, welche skulpturaler Abdruck als auch Ausdruck des Erschöpfungszustandes sind. Diese verhandeln nicht nur das disruptive Potential von Erschöpfung, sondern auch die Möglichkeiten der Neuorientierung und Begegnung, die sich aus diesem Zustand heraus ergeben können.
Was passiert, wenn der Zustand der Erschöpfung nicht abgewendet und überwunden, sondern genauer betrachtet und anerkannt wird? Lassen sich mit Intuition und Improvisation Kategorien wie Dysfunktionalität infrage stellen und Normalität anders denken? Wie würde eine Hommage an die müden Körper aussehen? Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Fragen betrachten Sadiq und Young die soziale, psychologische und physische Verfasstheit des erschöpften Körpers – und laden die Betrachter:innen ein, das Verhältnis von Erstarren, Stillstand und Innehalten neu auszuloten.
Teil der Ausstellung ist außerdem Sadiqs Arbeit „Visited by a Tiger“, in der die Künstlerin das Bild ihrer eigenen Faust zum Ausgangspunkt nimmt, um die Rolle des Selbst als Teil des politischen Kampfes gegen Unterdrückung neu zu denken. In ihrer künstlerischen Praxis thematisiert Sadiq die prekäre Grenze zwischen dem Selbst und den Anderen sowie zwischen Subjekt und Gesellschaft. Wie kann ein Bewusstsein für die strukturelle Gemeinsamkeit individueller Erfahrung geschaffen und daraus eine überindividuelle, kollektive Stärke entwickelt werden?
Anknüpfend daran wird der D21 Kunstraum während des Ausstellungszeitraums zum Ort und Adressat des prozessbasierten Austauschs „in practice“: Gemeinsam mit der Künstlerin leo und der Wissenschaftlerin, Autorin, Filmemacherin und Künstlerin Melody Howse setzen Sadiq und Young ihre transdisziplinären Auseinandersetzungen mit kolonialem Erbe und systemischer Gewalt fort. So eröffnet “pose fatigue” nicht zuletzt einen Erfahrungsraum, in dem die Idee des autonomen Kunstwerks und die eines objektiven Standpunkts infrage gestellt werden.