Nicht erst durch die von Menschen verursachten Klimaveränderungen und derenkatastrophale Auswirkungen in den letzten Jahren hat der Blick auf das Verhältnis von Mensch und Natur wieder eine zentrale Wichtigkeit eingenommen. Damit einher geht auch eine grundlegende Revision der in unserem Kulturkreis vorherrschenden Idee einer Trennung von Mensch und Natur.
Ein Aspekt der aktuellen Klimadebatte ist beispielsweise die Renaturierung, also die Umkehrung früherer Versuche die Natur zu beherrschen – ein Diskurs, der bereits in der Aufklärung seine Wurzeln findet: das Verschwinden der unberührten Natur wurde im 18. Jahrhundert zum ersten Mal deutlich, als das menschliche Verhältnis zur Natur eine Wandlung von Unwissenheit und Furcht vor der Naturgewalt, in ein Bezwingen und Nutzbarmachen der Wildnis erfuhr.
In ca. 70 km Luftlinie von Leipzig liegt der Wörlitzer Park, ein Landschaftsgarten, der nicht nur in Deutschland, sondern europaweit eine Besonderheit darstellt: Er wurde – als erster
Englischer Garten in Kontinentaleuropa – zum Weltbild seiner Zeit und verband eine revolutionäre Geste mit politischem Bildungsauftrag und einer Idee von Natur, die sich in gestalteten Gartenbildern bis heute manifestiert. Eine Auseinandersetzung heute kann im Angesicht dieser Ideen fragen: Was liegt hinter dem menschlichen Wunsch die Natur zu domestizieren? Welche Strategien und Haltungen begleiteten diese Versuche historisch und aktuell? Was bedeutet es, wenn wir Landschaft als eine kulturelle Praxis, als ein Medium verstehen?
Ausgehend von diesen Bildern möchte das Projekt Garten als Weltbild Antworten auf diese aktuellen gesellschaftlichen Fragen im Rahmen einer Gruppenausstellung und eines begleitenden Rahmenprogramms finden. Die gezeigten Arbeiten nehmen unterschiedlich auf den Themenkomplex Bezug. So können Interessierte bei einer Führung durch den Wörlitzer Park mit dem Historiker und Autor Hans von Trotha die gedachte Grand Tour nachempfinden und damit das Konzept des Parks erfahren, analysieren und hinterfragen.
Einen künstlerischen Zugang zum Park bietet Saskia Groneberg, die in ihrem Foto- und Archivprojekt Vesuv, Venus über ein Jahr hinweg den Wörlitzer Park dokumentierte. Die Künstlerin setzt sich darin mit dem alten Traum vom Paradies auf Erden und mit einer dabei (vermeintlichen) Harmonie zwischen Mensch und Natur auseinander. Während Yoav Admonis installative Arbeiten eine neue Sichtweise auf die Unterscheidung zwischen dem, was (scheinbar) natürlich ist, und dem, was als künstlich oder unnatürlich wahrgenommen wird, wird die Natur in Kinga Kielczynskas neuer Videoarbeit selbst zur Handlungsträgerin, indem sie sich einst von Menschen besetzte Orte zurückerobert und Macht statuiert. Damit spekuliert die Künstlerin über ein mögliches Überwinden der fiktiven Kultur-Natur-Trennung und imaginiert so eine Wiedervereinigung von empfindungsfähigen, natürlichen Wesen und nicht-empfindungsfähigen, menschlichem Material nach unserem endgültigen Verschwinden.
Den Prozess der Bedeutungszuschreibung, den Menschen der Natur angedeihen, thematisieren auf unterschiedliche Weise die Arbeiten von Gabriella Hirst und Ojaboca. Im Film Her Name Was Europa gehen Ojoboca (Anja Dornieden und Juan David González Monroy) Versuchen nach, den seit 1627 ausgestorbenen Auerochsen, der Vorfahre des modernen Rindes, wiederauferstehen zu lassen und erzählen so eine Geschichte der heroischen Verklärung von Natur als ursprünglich, unberührt. Gabriella Hirst dagegen verweist auf einen weiteren Aspekt der schwierigen Beziehung von Mensch und Natur: In ihrer Installation zeigt sie Pflanzen, deren Namen an Schlachten, historische Konflikte und andere militärische Ereignisse erinnern und verweist damit auf die menschliche Eigenheit, Gewalttaten durch Bedeutungsverschiebungen zu verharmlosen oder zu glorifizieren, indem die Schönheit der Pflanzen dafür instrumentalisiert wird.