3.9. – 10.10.21

Garten als Weltbild

Ausstellung

Foto: Gabriella Hirst, How To Make a Bomb, 2015 — ongo­ing. Durational gar­dening pro­ject. © the artist

Human Nature

Eröffnung  2. September, 19 Uhr

Ausstellungsdauer  3.9. – 10.10.21

Künstler:innen  Yoav Admoni, Saskia Groneberg, Gabriella Hirst, Kinga Kielczynska, Ojoboca (Anja Dornieden und Juan David González Monroy)

Audiobegleitung STUDIO URBANISTAN  / Referent Hans von Trotha 

Kuratiert durch  Anja Lückenkemper

Nicht erst durch die von Menschen ver­ur­sach­ten Klimaveränderungen und deren­ka­ta­stro­pha­le Auswirkungen in den letz­ten Jahren hat der Blick auf das Verhältnis von Mensch und Natur wie­der eine zen­tra­le Wichtigkeit ein­ge­nom­men. Damit ein­her geht auch eine grund­le­gen­de Revision der in unse­rem Kulturkreis vor­herr­schen­den Idee einer Trennung von Mensch und Natur.

Ein Aspekt der aktu­el­len Klimadebatte ist bei­spiels­wei­se die Renaturierung, also die Umkehrung frü­he­rer Versuche die Natur zu beherr­schen – ein Diskurs, der bereits in der Aufklärung sei­ne Wurzeln fin­det: das Verschwinden der unbe­rühr­ten Natur wur­de im 18. Jahrhundert zum ers­ten Mal deut­lich, als das mensch­li­che Verhältnis zur Natur eine Wandlung von Unwissenheit und Furcht vor der Naturgewalt, in ein Bezwingen und Nutzbarmachen der Wildnis erfuhr.

In ca. 70 km Luftlinie von Leipzig liegt der Wörlitzer Park, ein Landschaftsgarten, der nicht nur in Deutschland, son­dern euro­pa­weit eine Besonderheit dar­stellt: Er wur­de – als erster
Englischer Garten in Kontinentaleuropa – zum Weltbild sei­ner Zeit und ver­band eine revo­lu­tio­nä­re Geste mit poli­ti­schem Bildungsauftrag und einer Idee von Natur, die sich in gestal­te­ten Gartenbildern bis heu­te mani­fes­tiert. Eine Auseinandersetzung heu­te kann im Angesicht die­ser Ideen fra­gen: Was liegt hin­ter dem mensch­li­chen Wunsch die Natur zu domes­ti­zie­ren? Welche Strategien und Haltungen beglei­te­ten die­se Versuche his­to­risch und aktu­ell? Was bedeu­tet es, wenn wir Landschaft als eine kul­tu­rel­le Praxis, als ein Medium verstehen?

Ausgehend von die­sen Bildern möch­te das Projekt Garten als Weltbild Antworten auf die­se aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Fragen im Rahmen einer Gruppenausstellung und eines beglei­ten­den Rahmenprogramms fin­den. Die gezeig­ten Arbeiten neh­men unter­schied­lich auf den Themenkomplex Bezug. So kön­nen Interessierte bei einer Führung durch den Wörlitzer Park mit dem Historiker und Autor Hans von Trotha die gedach­te Grand Tour nach­emp­fin­den und damit das Konzept des Parks erfah­ren, ana­ly­sie­ren und hinterfragen.

Einen künst­le­ri­schen Zugang zum Park bie­tet Saskia Groneberg, die in ihrem Foto- und Archivprojekt Vesuv, Venus über ein Jahr hin­weg den Wörlitzer Park doku­men­tier­te. Die Künstlerin setzt sich dar­in mit dem alten Traum vom Paradies auf Erden und mit einer dabei (ver­meint­li­chen) Harmonie zwi­schen Mensch und Natur aus­ein­an­der. Während Yoav Admonis instal­la­ti­ve Arbeiten eine neue Sichtweise auf die Unterscheidung zwi­schen dem, was (schein­bar) natür­lich ist, und dem, was als künst­lich oder unna­tür­lich wahr­ge­nom­men wird, wird die Natur in Kinga Kielczynskas neu­er Videoarbeit selbst zur Handlungsträgerin, indem sie sich einst von Menschen besetz­te Orte zurück­er­obert und Macht sta­tu­iert. Damit spe­ku­liert die Künstlerin über ein mög­li­ches Überwinden der fik­ti­ven Kultur-Natur-Trennung und ima­gi­niert so eine Wiedervereinigung von emp­fin­dungs­fä­hi­gen, natür­li­chen Wesen und nicht-emp­fin­dungs­fä­hi­gen, mensch­li­chem Material nach unse­rem end­gül­ti­gen Verschwinden.

Den Prozess der Bedeutungszuschreibung, den Menschen der Natur ange­dei­hen, the­ma­ti­sie­ren auf unter­schied­li­che Weise die Arbeiten von Gabriella Hirst und Ojaboca. Im Film Her Name Was Europa gehen Ojoboca (Anja Dornieden und Juan David González Monroy) Versuchen nach, den seit 1627 aus­ge­stor­be­nen Auerochsen, der Vorfahre des moder­nen Rindes, wie­der­auf­er­ste­hen zu las­sen und erzäh­len so eine Geschichte der heroi­schen Verklärung von Natur als ursprüng­lich, unbe­rührt. Gabriella Hirst dage­gen ver­weist auf einen wei­te­ren Aspekt der schwie­ri­gen Beziehung von Mensch und Natur: In ihrer Installation zeigt sie Pflanzen, deren Namen an Schlachten, his­to­ri­sche Konflikte und ande­re mili­tä­ri­sche Ereignisse erin­nern und ver­weist damit auf die mensch­li­che Eigenheit, Gewalttaten durch Bedeutungsverschiebungen zu ver­harm­lo­sen oder zu glo­ri­fi­zie­ren, indem die Schönheit der Pflanzen dafür instru­men­ta­li­siert wird.

 

 

Human-made cli­ma­te chan­ge and its dis­as­trous con­se­quen­ces that have beco­me mani­fest over the last ten years are just one more reason for a new­ly increased inte­rest in the rela­ti­onship bet­ween humans and natu­re. Along with it comes the need for a tho­rough revi­si­on of the idea – pre­va­lent in Western thin­king – of a sepa­ra­ti­on bet­ween natu­re and humans.

One aspect of the cur­rent deba­te about cli­ma­te chan­ge is eco­lo­gi­cal res­to­ra­ti­on, i.e. the inver­si­on of ear­lier attempts to domi­na­te natu­re. This dis­cour­se can be tra­ced back to the enligh­ten­ment: the dis­ap­pearance of untouch­ed natu­re first beca­me noti­ceable during the 18th cen­tu­ry, when the human approach to natu­re chan­ged from igno­rance and fear of natu­ral forces to con­quest and explo­ita­ti­on of the wilderness.

Situated at about 70 kilo­me­t­res or 40 miles (bee-line) from Leipzig, Wörlitzer Park is uni­que not just in Germany, but in Europe. It was the first English land­scape gar­den on the con­ti­nent and was seen as a ‘pic­tu­re of the world’, con­nec­ting a revo­lu­tio­na­ry ges­tu­re with a poli­ti­cal edu­ca­tio­nal mis­si­on and a con­cept of natu­re that can still be found in the gar­den sce­neries. Considering the­se ide­as today, one may ask: What is behind the human desi­re to dome­sti­ca­te natu­re? Which stra­te­gies and atti­tu­des have accom­pa­nied the­ses attempts his­to­ri­cal­ly and to date? What does it mean to under­stand land­scapes as a cul­tu­ral prac­ti­ce and as a medium?

Starting from the­se ques­ti­ons, the pro­ject The Garden as a Picture of the World, which com­pri­ses a group show and a frame­work pro­gram­me, aims to find ans­wers to the­se current
socie­tal ques­ti­ons. Each of the works pre­sen­ted approa­ches the topic in a dif­fe­rent way. One of them will be a visit to Wörlitzer Park gui­ded by his­to­ri­an and wri­ter Hans von Trotha. Participants will be able to trace the Grand Tour that is reflec­ted in the park and expe­ri­ence, ana­ly­se, and chall­enge the park’s con­cept. Saskia Groneberg takes an artis­tic approach to the park. Her pho­to­gra­phic and archi­val pro­ject Vesuv, Venus, for which she docu­men­ted Wörlitzer Park during one year, looks into the anci­ent dream of para­di­se on earth and the (sup­po­sed) harm­o­ny bet­ween humans and natu­re that is asso­cia­ted with it.

Yoav Admoni instal­la­ti­ons pro­vi­de a new per­spec­ti­ve on the distinc­tion bet­ween what is (see­mingly) natu­ral and what is per­cei­ved as arti­fi­ci­al or unna­tu­ral. In Kinga Kielczynska’s
new video pie­ce, natu­re its­elf beco­mes an actor and an agent as it re-con­quers spaces that used to be occu­p­ied by humans. The pie­ce spe­cu­la­tes about a pos­si­ble over­co­ming of the fic­ti­tious divi­de bet­ween natu­re and cul­tu­re and ima­gi­nes a re-uni­fi­ca­ti­on of sen­ti­ent, natu­ral beings and non-sen­ti­ent, human mate­ri­al as soon as humans will have dis­ap­peared for good.

Gabriella Hirst’s and Ojaboca’s pie­ces stu­dy the pro­cess of attri­bu­ting mea­ning to natu­re. In their movie Her Name Was Europa, Ojoboca (Anja Dornieden and Juan David González
Monroy) look into attempts to revi­ve the aurochs, the pre­cur­sor of modern catt­le that has been extinct sin­ce 1627, and tell a sto­ry of heroic glo­ri­fi­ca­ti­on of natu­re as ‘pris­ti­ne’. Gabriella Hirst focu­ses on ano­ther aspect of the dif­fi­cult rela­ti­onship bet­ween human and natu­re. Her instal­la­ti­on pres­ents plants who­se names are remi­nis­cent of batt­les, his­to­ri­cal con­flicts, and other mili­ta­ry events, thus poin­ting out the pecu­li­ar human habit of tri­via­li­sing or glo­ri­fy­ing acts of vio­lence by exploi­ting the beau­ty of plants.

Human Nature

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