Sa, 27.1.18

Rosebuds – Hidden Stories of Things

Symposium

Foto: Olia Lialina

Material Recht

Künstler:innen  Hans-Christian Dany, Olia Lialina, Zsolt Miklósvölgyi

Zeit  10.00 – 15.30

Kuratiert durch  Lena Brüggemann, Francis Hunger, Fabian Reimann

Das Symposium ist Teil der gleich­na­mi­gen Ausstellung.

10.00–11.30h – Olia Lialina: Frames or no frames?

Vortrag und Gespräch in eng­li­scher Sprache

Olia Lialinas Beitrag setzt sich mit den Auswahlmöglichkeiten, die die Webmaster vor der Existenz sozia­lier Netzwerke aus­ein­an­der und stellt die­se den heu­ti­gen Möglichkeiten gegen­über. Sie argu­men­tiert aus der Perspektive einer Designerin, einer pas­sio­nier­ten Forscherin über Digitale Folklore und der Bewahrerin eines ein Terabyte gro­ßen Archives von Websites aus dem Zeitalter der Kilobytes.

Geocities, der größ­te, kos­ten­lo­se Webhoster des letz­ten Jahrhunderts – das »Myspace der 1990er« –ers­te Heimat für die frü­hen Nutzer des World Wide Webs, wur­de nach einem lang­sa­men Niedergang 2009 geschlos­sen. Für den Zeitraum eines hal­ben Jahres erlaub­te Yahoo, spä­te Besitzerin von Geocities, den Nutzer_innen, ihre Daten her­un­ter­zu­la­den. Die Gruppe The Archive Team stell­te in die­sem Rahmen eine Torrent von 1 Terrabyte Daten zusam­men, und das von Olia Lialina und Dragan Espenschied initi­ier­te Geocities-Forschungsinstitut lud die Dateien her­un­ter und stell­te die Websites wie­der her.

Olia Lialina hat zahl­rei­che ein­fluss­rei­che Netzkunstwerke pro­du­ziert: My Boyfriend Came Back from the War (1996), Agatha Appears (1997), First Real Net Art Gallery (1998), and Last Real Net Art Museum (2000), Summer (2013). Sie ist Professorin an der Merz Akademie, Stuttgart. Lialina publi­ziert über Digitalkulturen, Netzkunst und Digitale Folklore.

11.30–13.00h – Zsolt Miklósvölgyi: Über Wolken und Clouds. Techno-Metaphorische Spekulationen.

Der Beitrag setzt sich mit den meta­pho­ri­schen Potentialen von Dampf- und Dunstwolken als beschleu­ni­gen­de Metaphern der kapi­ta­lis­ti­scher Gesellschaft aus­ein­an­der. Sie zie­hen sich von den frü­hen Zeiten des Industriezeitalter, gekenn­zeich­net durch die Dampfmaschine, bis zur heu­ti­gen Digitalen Kapitalismus und sei­ner alles durch­drin­gen­den, glo­ba­len Infrastruktur des Cloud-Computing.

Miklósvölgyi dis­ku­tiert die ther­mo­dy­na­mi­sche Metaphern grund­le­gen­der Texte, so aus dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels, aus dem Futuristische Manifest von Marientti und den Schriften von Emile Zola, Jacques Derrida und ande­ren. Die Diskussion um Dampf und Dunst als wich­ti­ge »tech­no-lin­gu­is­ti­sche Automatismen« (Franco ’Bifo’ Berardi) soll einen Beitrag zur Geschichte des Kapitalismus leisten.

Zsolt Miklósvölgyi stu­dier­te Philosophie an der Peter Pazmany Catholic University, Budapest. Derzeit arbei­tet er an einer Dissertation zu Fragen der Räumlichkeit, Identität und Topographie lite­ra­ri­scher Texte. Seit 2014 ist er Co-Herausgeber der Publikationsreihe Technologie und das Unheimliche und der Buchreihe Melting Books.

14.00–15.30h – Hans-Christian Dany: Buzz Rickson‘s MA‑1

Buzz Rickson‘s MA‑1 ist eine Bomberjacke, die zunächst als Fiktion in dem Roman Pattern Recognition des Science Fiction Autoren William Gibson exis­tier­te. Sie wur­de von einer gegen Marken all­er­gi­schen Coolhunterin, einer Expertin für Zukunftstrends, getra­gen. Es han­delt sich um eine japa­ni­sche Kopie jener Fliegerjacke, mit der die US-Army Ende der 1950er Jahre Soldaten aus­stat­te­te, wobei das Original Salbeigrün war, wäh­rend die Romanfigur ein schwar­zes Modell trägt, das es nie gab. Nach dem Erscheinen des Romans, wird das auf Kopien von US-Uniformen spe­zia­li­sier­te Unternehmen Buzz Rickson‘s solan­ge von Fans bedrängt, bis es die Jacke tat­säch­lich auflegt.

Eine der Kopien kauft ein Programmierer, der in jener Bürogemeinschaft arbei­te­te, in wel­cher das AutorInnen-Kollektiv K‑Hole den Trend »Normcore« pro­gnos­ti­zier­te, der ein welt­wei­tes Comeback der Bomberjacke zur Folge hat­te. Dies gibt dem Künstler und Autoren Hans Christian Dany den Anlass, sich mit der Geschichte der MA‑1, ihrer Bedeutung für ver­schie­de­ne Subkulturen, aber auch als Verhaltensstrategie inner­halb von kyber­ne­ti­schen Gesellschaften zu beschäftigen.

Als Künstler, Autor und Publizist war Hans-Christian Dany unter ande­rem Mitherausgeber von Zeitschriften wie Die Beute, Spuren, Springerin. Publikationen: Schneller als die Sonne (2015), Morgen wer­de ich Idiot (2013), Speed – Eine Gesellschaft auf Droge (2009). Ausstellungen: Halle für Kunst Lüneburg (2015), Deichtorhallen Hamburg (2011), Jet Berlin (2009), Hamburger Kunsthalle (2002).

 

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