8.6. – 16.7.17

CODEX

Ausstellung

Foto: Paula Gehrmann. Helen Knowles, The Trial of Superdebthunterbot

Material Recht

Eröffnung  08. Jun 2017, 19 Uhr

Ausstellungsdauer  8.6. – 16.7.17

Führung  11. Jun, 16. Jul, 15 Uhr

Künstler:innen  Libia Castro & Ólafur Ólafsson, Aslı Çavuşoğlu, Stefan Endewardt, Laura Horelli, Helen Knowles, Amalia Pica, Maruša Sagadin, Carey Young

Kuratiert durch  Lena Brüggemann, Lena von Geyso, Elisabeth Pichler

Was ist der Unterschied zwi­schen einem Stoppschild und einer Tempohemmschwelle? Die Ausstellung CODEX befragt die Stabilität und Sprache von Recht und sei­nen Verträgen. Wie wird Recht prak­ti­ziert – aus­ge­legt, gespro­chen, ver­han­delt, gel­tend gemacht und wech­sel­sei­tig legi­ti­miert? In wel­ches Verhältnis set­zen wir uns – und in wel­chem Verhältnis ste­hen wir – zu den Formen sei­ner Manifestation, Festschreibung, Materialisierung und Institutionalisierung?
 Durch die Überlagerung vir­tu­el­ler und phy­si­scher (Rechts-)Räume, durch fort­schrei­ten­de wirt­schaft­li­che Verflechtungen und Globalisierungsprozesse wer­den auch die Institutionen des Rechts, Formen der Legitimation und Gerichtsbarkeiten ver­scho­ben. Was bedeu­tet es, wenn das Rechtssubjekt durch Quasi-Objekte, Algorithmen und neue tech­no­lo­gi­sche Entwicklungen ersetzt wird? Welche Auswirkungen hat das auf unser Verständnis von Handlungs- und Rechtsfähigkeit?

 

Amalia Pica adres­siert das grund­le­gen­de (und oft igno­rier­te) Recht und/oder Potenzial, die eige­ne Stimme zu erhe­ben. In „Constructed View“ tre­ten Standpunkt, Perspektive und Horizont mit sprach­li­chem und visu­el­lem Ausdruck in Beziehung. „The Jokinen Trial“ von Laura Horelli führt die Akteur_innen eines 1931 in Harlem, New York, abge­hal­te­nen Schauprozess der Kommunistischen Partei Amerikas gegen Rassismus, in einer foto­gra­fi­schen Installation zusam­men. Die Erzählstimme der Künstlerin lässt die Migrationsgeschichte des Angeklagten August Jokinen wie­der­auf­le­ben. Gemeinsam mit der bri­ti­schen Schriftstellerin und Philosophin Nina Power dekon­stru­ie­ren Libia Castro und Ólafur Ólafsson die „Universal Declaration of Human Rights“. Anhand einer „Philosophie des Unrechts“ erset­zen sie die „unver­bind­li­chen Empfehlungen“ der United Nations durch ihre Partial Declaration of Human Wrongs. Im Januar 1985 ver­bot die Generaldirektion der tür­ki­schen Rundfunk- und Fernsehanstalt (TRT) kurz­zei­tig die Verwendung von 205 Wörtern im Fernsehen und Radiosendungen. Die Installation „191/205“ besteht aus 191 die­ser ver­bo­te­nen Wörter aus TRT-Archiven und Zeitungen, die Aslı Çavuşoğlu vom deutsch-tür­ki­schen Rapper MC Fuat inter­pre­tie­ren lässt.

Helen Knowles ver­weist auf ethi­sche und recht­li­che Verantwortlichkeiten in Zeiten, in denen Rechtssubjekte durch Quasi-Objekte, Algorithmen und auto­ma­ti­sier­te Prozesse ersetzt wer­den. „The Trial of Superdepthunterbot“ insze­niert einen Prozess, in dem die Frage ver­han­delt wird, ob ein Algorithmus schuld­fä­hig ist und damit als rechts­fä­hi­ges Subjekt aner­kannt wer­den soll. Als Hybrid zwi­schen archi­tek­to­ni­scher Setzung, amor­pher Struktur und Bedeutungsträger / Projektionsfläche eröff­nen und beset­zen die Skulpturen „Tschumi Alumni“ von Maruša Sagadin Räume der Architektur und der Verhandlung. Die Lichtinstallation „All is Text“ von Stefan Endewardt nimmt Bezug auf Kodifizierungen und (Un)sichtbarkeiten des urba­nen Lebensraums. Im Licht und Schatten die­ser archi­tek­to­ni­schen Intervention steht sei­ne Arbeit Architects’ Data – eine neu codier­te Version der Bauentwurfslehre Ernst Neuferts aus dem Jahr 1936. „Artistic License“ von Carey Young for­dert die Besucher_innen beim Betreten der Ausstellung auf, ihre Fingerabdrücke abzu­ge­ben und eine Unterschrift zu leis­ten. In der Durchdringung ästhe­ti­scher und gesell­schafts­po­li­ti­scher Räume wer­den natio­nal­staat­li­che und sozi­al-sym­bo­li­schen Grenzen befragt und die Gültigkeit von Verträgen im künst­le­ri­scher Kontext und dar­über hin­aus, ver­han­delt. Im Workshop von Elli Kuruş wird die Entkopplung des Rechts von tra­di­tio­nel­len Legitmationsorganen am Beispiel der Technologie der Blockchain the­ma­ti­siert, die Verträge her­stellt und peer-to-peer beglau­bigt, ohne staat­li­che Institutionen zu benötigen.

What’s the dif­fe­rence bet­ween a speed limit sign and a speed bump? How is law estab­lished and mani­fes­ted in lan­guage, signs and objects? How do we rela­te – and what rela­tes us – to its forms of mani­fes­ta­ti­on, mate­ria­liza­ti­on and institutionalization?
The super­po­si­ti­on of vir­tu­al and phy­si­cal spaces, pro­gres­si­ve eco­no­mic and poli­ti­cal inter­de­pen­den­ci­es and glo­ba­liza­ti­on requi­re the recon­side­ring of tra­di­tio­nal forms of legi­ti­ma­ti­on and juris­dic­tions. What does it mean if the legal sub­ject is repla­ced by qua­si-objects, algo­rith­ms and new tech­no­lo­gi­cal deve­lo­p­ments? What impact does this have on our under­stan­ding of action and legal capa­ci­ty? Questioning the mate­ria­li­ty, sta­bi­li­ty and lan­guage of law and its trea­ties, CODEX brings tog­e­ther inter­na­tio­nal artists who­se works address the per­for­ma­ti­vi­ty and for­ma­liza­ti­on of law and legal claims. The accom­pany­ing work­shop by Elli Kuruş sheds light on alter­na­ti­ve forms of legal vali­di­ty on the basis of block­chain technologies.

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